In diesem Jahr vergeht kaum ein Monat, in dem der VI. Senat des Bundesfinanzhofs nicht eine bedeutende Kehrtwende im deutschen Steuerrecht einläutet. Nach der Abzugsfähigkeit von Berufsausbildungskosten im letzten Monat bringen die neuesten Urteile der obersten Finanzrichter diesmal eine deutliche Vereinfachung im Reisekostenrecht. Der Bundesfinanzhof hat nämlich entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte haben kann.
Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers kann nach Meinung der Richter nur an einem Ort liegen, denn nur dann kann sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und so durch Fahrgemeinschaften, öffentliche Verkehrsmittel oder die Wahl seines Wohnorts in der Nähe der regelmäßigen Arbeitsstätte seine Wegekosten minimieren. Allein deswegen sei die Einschränkung der Abziehbarkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale gerechtfertigt.
Übt der Arbeitnehmer dagegen an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, kann er sich nicht auf die immer gleichen Wege einstellen und damit in der Regel auch nicht die anfallenden Wegekosten durch solche Maßnahmen niedrig halten. In einem solchen Fall lässt sich die Einschränkung der Abziehbarkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale nicht rechtfertigen, meinen die Richter.
Wenn ein Arbeitnehmer also fortlaufend und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht, ist der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zugeordnet hat, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt und welches Gewicht diese Tätigkeit hat.
Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte immer wieder aufsucht, reicht allerdings für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte noch nicht aus. Die Tätigkeitsstätte muss vielmehr eine zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten haben. Daraus folgt, dass ein Arbeitnehmer möglicherweise auch gar keine regelmäßige Arbeitsstätte haben kann.
Das hat der Bundesfinanzhof auch exemplarisch in einem weiteren Fall explizit festgestellt: Die Distriktmanagerin einer Supermarktkette, die abwechselnd in 15 verschiedenen Filialen tätig ist, übt eine Auswärtstätigkeit ohne regelmäßige Arbeitsstätte aus, wenn keine der Tätigkeitsstätten eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den anderen Tätigkeitsorten hat.
Auch der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer zwar regelmäßig für kurze organisatorische Treffen aufsucht, ohne aber dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen, ist nicht die regelmäßige Arbeitsstätte, wie die Richter in einem dritten Fall entschieden haben. Dieser Arbeitnehmer übt somit ebenfalls eine Auswärtstätigkeit aus.
Mit dieser neuen Rechtsprechung wird das Leben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen deutlich leichter, denn damit erübrigt sich nicht nur die Aufsplittung der Entfernungspauschale, wenn mehrere Tätigkeitsorte an einem Tag aufgesucht werden. Auch die Berechnung des geldwerten Vorteils für einen Firmenwagen wird deutlich einfacher, wenn für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr mehrere regelmäßige Arbeitsstätten zugrunde gelegt werden müssen. Interessant für Arbeitnehmer ist außerdem, dass nun die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen nicht nur einfacher, sondern auch häufiger steuerlich geltend gemacht werden können.
Noch sind die Urteile des Bundesfinanzhofs allerdings mit etwas Vorsicht zu genießen, denn bisher gibt es dazu noch keine Reaktion der Finanzverwaltung. Die könnte nämlich per Nichtanwendungserlass die Anwendung der Urteile zumindest soweit hinausschieben, bis der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung in einem neuen Verfahren bestätigt hat.